Der Fuchs in der Südsee
Am Sonntag durfte ich mal wieder ne Gutenachtgeschichte erzählen, dieses Mal die vom Fuchs in der Südsee. Viel Spaß dabei. 🙂
Es war einmal ein Fuchs, der hauste ganz zufrieden in seinem Bau im Wald. Tagein, tagaus riss er ein paar Hühner und ließ es sich schmecken. Eines Tages sah er ein sehr elegantes Huhn, und er dachte sich: „Das ist bestimmt besonders lecker.“ Also schlich er sich von hinten an, auf leisen Pfoten, und sprang auf das arme Huhn zu. Doch plötzlich gab es ein kurzes Getöse und das Huhn flog davon und auf den nächsten Baum. Von dort oben sah es auf den Fuchs herab und fragte: „Was soll denn das?“ Der Fuchs sprach: „Ich wollte dich fressen, weil du wie ein besonders leckeres Huhn aussiehst. Doch seit wann können Hühner so gut fliegen?“ Das Huhn sagte: „Ich bin doch kein Huhn, ich bin ein Storch. Und ich kann so gut fliegen, weil ich jeden Winter in den Süden fliegen muss.“ Der Fuchs wunderte sich. „Wo ist denn dieser Süden, und warum willst du dort hin?“ fragte er den Storch. Der Storch erzählte ihm, dass es im Süden ganz warm sei, und dass er dort immer ausreichend zu essen fände. „Wenn das so ist, dann will ich auch in den Süden“, sagte der Fuchs. Da lachte der Storch ihn aus und sagte: „Wie willst du denn in den Süden ohne Flügel?“ Und er flog gackernd (vor Gelächter, trotzdem aber war er kein Huhn) davon.
Der Fuchs aber nahm sich vor, nach Süden zu gehen, koste es was es wolle. Also packte er seine Sachen (das geht bei einem Fuchs ziemlich schnell) und machte sich auf den Weg. Er wanderte und wanderte den ganzen Tag, bis es schließlich dämmerte und er eine Eule traf. „Entschuldigen Sie, Frau Eule. Wo geht es denn hier nach Süden?“ fragte er sie. Die Eule schaute ihn verduzt an: „Nach Süden? Da musst du immer richtung Süden gehen.“ Das war dem Fuchs zu hoch und der fragte die Eule, woher er denn wissen solle wo Süden sei. „Das hat man doch im Gefühl“, sagte die Eule und schüttelte den Kopf. Der Fuchs aber hatte das nicht im Gefühl, und als er die Eule davon überzeugt hatte, erklärte sie ihm, wie er den Süden auch ohne ein Vogel zu sein finden konnte. „Also immer Richtung Mittagssonne, schön“, dachte der Fuchs und wanderte weiter.
So ging das nun ein paar Wochen lang, aber der Fuchs merkte nichts vom warmen Süden. Schließlich sah er hoch oben einen Storch dahingleiten und rief nach ihm. Der Storch segelte sanft hinunter und ließ sich vom Fuchs seine Geschichte erzählen. „Das ist ja kein Wunder“, sagte der Storch: „Du bist ja auch viel zu langsam.“ Und er erzählte dem Fuchs, dass die einzigen Tiere, die nicht fliegen konnten und trotzdem in den Süden reisten die Menschen seien. „Dann müssen mir eben die Menschen Helfen“, sagte der Fuchs und machte sich auf den Weg in die Stadt.
In der Stadt angekommen ging es dem Fuchs schlecht. Aus Mülltonnen musste er essen und in kalten Gassen schlafen, bis er ein paar Kanalratten traf. Die kannten sich gut aus mit den Menschen und sie erzählten ihm vieles über sie, das sie anhand ihres Unrats, den sie hinterließen, herausgefunden hatten. Denn wenn man etwas über Menschen herausfinden wollte, wussten die Ratten, musste man sich nur ansehen was sie wegwarfen. Und sie erzählten dem Fuchs, dass der schnellste Weg in den Süden zu kommen der Flughafen sei.
Also ging der Fuchs zum Flughafen und versuchte, sich in ein Flugzeug zu schleichen, doch sie waren so laut und schnell, dass er sich nicht traute. Nach einigem Umherwandern fand er einen Teil des Flughafens, in dem viel gejault, gebellt, miaut und sonstiger Lärm produziert wurde. Das wunderte ihn und er ging nachsehen. Und er erstarrte vor Schreck. Ganz viele Tiere waren in kleine Käfige eingesperrt und total verzweifelt. Er ging durch die Käfige bis er einen alten Pudel traf, der gar nicht aufgeregt sondern ganz gelassen war. Den fragte er was hier los sei. „Ach, die machen das alle zum ersten Mal“, sagte der Pudel: „Sie denken, ihre Herrchen hätten sie im Stich gelassen, dabei fliegen sie doch nur mit ihnen in die Südsee.“ - „Südsee?“ fragte der Fuchs: „Das ist doch bestimmt im Süden, da will ich auch hin.“ Der Pudel lächelte und sagte: „Da kann ich dir helfen.“ Und er öffnete seinen Korb. „Aber Vorsicht, dass mein Frauchen nicht herausfindet, dass ich meinen Korb öffnen kann“, sagte er und blinzelte dem Fuchs zu. Dieser bedankte sich tausend mal und stieg zu dem Pudel in den Korb. Nach kurzer Zeit wurden sie verladen, geschüttelt und es war laut und unbequem. Aber nach schier unendlich langer Dunkelheit war der Flug endlich vorbei und das Flugzeug landete. Endlich angekommen verabschiedete sich der Fuchs und ging fort, den Süden zu erkunden.
Doch oh weh, irgendwie konnte er sich gar nicht mit dem Süden anfreunden: Die Tiere waren seltsam und erschreckend, es gab keine Hühner und er hatte noch keinen einzigen anderen Fuchs gesehen. Nach ein paar Wochen war er total abgemagert und kam wieder am Flughafen vorbei. Dort traf er auch wieder den Pudel, der ihm anbot, zurück zu kommen. „Nein“, sagte der Fuchs: „Ich habe mich die ganze Zeit auf den Süden gefreut, jetzt will ich auch etwas tolles hier finden.“ - „Na gut“, sagte der Pudel: „Aber sei dir bewusst, dass du vielleicht keine zweite Chance erhältst um zurück zu gehen.“
Noch sehr lange sah der Fuchs dem Flugzeug nach und überlegte ob es die richtige Entscheidung gewesen war. Sicher regnete es hier nicht viel, und schön warm war es auch, aber er hatte furchtbaren Hunger und Heimweh nach anderen Füchsen. Nahe am Delirium wandelte er durch Palmen und sah etwas rotes vorbeihuschen. „Das muss ich jetzt fangen, sonst verhungere ich“, dachte er und hetzte los, immer dem roten Etwas hinterher. Es war schnell und immer wenn er es fast hatte, verschwand es wieder. Als er fast aufgegeben hatte, hörte er jemanden kichern. „Wer bist du und warum lachst du über mich?“ fragte der Fuchs. „Warum bist du hier?“ sagte die Stimme. „Weil ich nach Süden wollte“, sagte der Fuchs. „Hast du etwa einen Storch und einen Pudel getroffen?“ fragte die Stimme. „Ja das habe ich“, antwortete der Fuchs: „Woher weißt du das?“ - „Ich wollte auch in den Süden“, sagte die Stimme. Und mit diesen Worten trat eine Füchsin vor den Fuchs, die hübscheste Füchsin die er je gesehen hatte. „Komm, ich zeige dir was sich hier schön jagen lässt“, sagte sie. Und in den nächsten Tagen lernte der Fuchs das Leben im Süden wirklich zu genießen. Und er war froh, dass er nicht mit dem Pudel zurück geflogen war.
Und wenn sie nicht gestorben sind, dann haben die beiden Füchse die gesamte Südsee bevölkert und die Vogelpopulation fast ausgerottet. Aber der Fuchs, der ist auf jeden Fall glücklich.
Das war die Geschichte vom Fuchs in der Südsee. Und die Moral von der Geschicht: Auch wenn’s schwer ist und man manchmal zweifelt, lohnt es sich, ein Ziel vor Augen zu haben.