Die Folie

Heute gibt’s die zweite Geschichte, vom 25. September 2005 (der die erste Aufforderung folgte, doch zu bloggen 🙂:

Es war einmal eine dünne Folie aus Plastik, die war ganz elastisch. Um ihre Elastizität zu beweisen wickelte sie sich um die verschiedensten Dinge. Einmal hatte sie es sogar geschafft, sich ganz eng um ein Fraktal zu wickeln, so dass man fast nicht mehr sah, dass es mit der Folie bedeckt war. Die Folie dachte sich dabei noch: „Wer nicht weiß was ein Fraktal ist, kann das ja bei Wikipedia nachschauen“, denn die Folie wusste viel.

An einem ganz besonderen Tag, einem Donnerstag, hatte die Folie das letzte Objekt in dem Tal in dem sie lebte umwickelt. Und sie dachte sich: „Das war ja ganz einfach, das alles zu umwickeln, so dünn und elastisch wie ich bin. Gibt es denn keine Herausforderungen mehr für mich?“ Also zog sie in die Welt hinaus um etwas zu finden das sie nicht umwickeln kann.

Auf ihrem Weg durch die Welt traf sie immer mehr unförmige Dinge, doch selbst eine Mietze konnte sie problemlos umwickeln. Eines Tages aber sah sie ein Leuchten am Horizont, und weil Sie eine neugierige Folie war, ging sie auf dieses Leuchten zu. Und die Folie sah zum ersten Mal in ihrem Leben ein Feuer. Es bewegte sich, loderte, züngelte mit vielen kleinen Flämmchen gen Himmel. Und die Folie dachte sich: „Was für ein wunderliches, lebendiges Ding. Es hat so viele Formen. Es wäre eine Herausforderung, das zu umwickeln.“ Und sie ging ohne Angst auf das Feuer zu.

Als sie nun auf das Feuer sprang, sah sie am Boden verbrannte Plastikhäufchen liegen und sie wusste, dass es ein Fehler gewesen war. Doch zu ihrem Glück war keine der anderen Folien so dünn gewesen wie sie und der Aufwind des Feuers trug sie davon. Durch das was sie im Feuer gesehen hatte wusste sie nun, dass es noch andere Folien gab, die alles umwickeln wollten. Und sie nahm sich vor, all diese Folien vor dem Feuer zu warnen. Das tat sie nun viele Jahre lang und viele Folien bedankten sich dafür bei ihr. Bis eines Tages eine Folie kam, die genauso dünn und ambitioniert war wie sie.

Und die andere Folie fragte: „Aber was soll ich dann für eine Herausforderung suchen, wenn ich das Feuer nicht umwickeln kann? Was ist denn noch so beweglich wie ich und das Feuer?“ Und die Folie erkannte, dass es eine wahre Herausforderung sein würde, die andere Folie zu umwickeln. Und so versuchten sie gegenseitig, sich zu umwickeln, bis sie durch die Reibung ganz warm wurden miteinander verschmolzen. So waren sie eine Folie, und diese war viel reißfester und robuster als die einzelnen Folien. Und die Folien erkannten, dass das das war, nach dem sie eigentlich gesucht hatten.

Und so lebten sie glücklich im Gefrierfach eines Einfamilienhaushaltes bis an ihr Ende.

Gute Nacht wünscht Waschmittel 🙂